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Saalverhaftung mal anders

By 3. September 2015Allgemein

Saalverhaftungen sind so ziemlich das letzte, was man sich als Verteidiger wünschen kann. Eine Saalverhaftung, da kommt der Mandant als freier Mann und verlässt den Saal nach der Verhandlung in Richtung Zellentrakt. Meist sind dann auch die akuten Verteidigungsmöglichkeiten dagegen sehr beschränkt. Man kann natürlich an Ort und Stelle Beschwerden erheben – wann darüber jedoch entschieden wird, hängt neben dem Druck, den man als Verteidiger auf das Gericht aufzubauen in der Lage ist, auch von der Laune und dem Freizeitplan des hohen Gerichts ab – wenn man in der Sache überhaupt eine Chance hat, der Verhaftung etwas entgegenzusetzen.

Gestern war es dann mal wieder so weit. Mit einem kleinen, bemerkenswerten Unterschied: Dem Mandanten und mir war schon im Vorfeld sonnenklar, dass der Mandant an diesem Verhandlungstag verhaftet werden wird. Er war schon vor einiger Zeit zu einer bzw. mehreren Haftstrafen verurteilt worden. Diese musste er nicht antreten, weil er seine Taten im Zusammenhang mit Drogenkonsum begangen hatte und eine Drogentherapie angetreten hat. Wenn die Voraussetzungen des § 35 BtMG vorliegen, braucht der oder die Verurteilte nicht ins Gefängnis, wenn eine Drogentherapie (meist 6-12 Monate lang und stationär) absolviert wird. Endet diese Therapie erfolgreich, wird der Rest der Freiheitsstrafe unter Anrechnung der Therapiezeit zur Bewährung ausgesetzt.

Der -schwer heroinabhängige- Mandant hat auch mit der Entgiftung begonnen. Kurz vor Beendigung der Entgiftung (die kann durchaus 3 Monate andauern) und vor Antritt der eigentlichen Entzugstherapie wurden jedoch die Bemühungen abgebrochen. Die Willenskraft war leider nicht stark genug und nach Ansicht des Mandanten sei die vermittelte Therapieeinrichtung nicht das richtige für ihn – dort befänden sich zu viele Rückfallpatienten und die Strukturen seien für ihn nicht eng genug. Er sah keine Chance für sich und brach alle Bemühungen ab.

Mit der Konsequenz, dass nun wieder die Haft angetreten werden musste. Es folgte eine höfliche Aufforderung zum freiwilligen Stellen in der JVA und nachdem diese ungehört blieb ein unhöflicher Haftbefehl. Allein – der Polizei gelang es mehrere Monate nicht, den Haftbefehl umzusetzen (was mich eigentlich wundert, weil ich den Mandanten ständig in der Stadt gesehen habe).

Gestern gab es dann eine neue Verhandlung wegen einiger, kleinerer neuer Taten. Uns war klar: Wenn der Mandant kommt, wird er aufgrund des Haftbefehls verhaftet werden. Auch ihm war das klar. Und um so mehr war ich erstaunt, dass er sich dazu entschlossen hatte, sich dem Verfahren zu stellen. Aber er war nicht unvorbereitet: Seine Wohnung war fristgerecht gekündigt und aufgelöst, sein Haftköfferchen war gepackt mit Kleidung und Zigaretten und so erschien er vor Gericht. Alle wussten, was passieren wird und dennoch war es ein mulmiges Gefühl, als während der rund einstündigen Verhandlung Polizei in den Saal aufmarschierte, um nach Verkündung des Urteils direkt die Verhaftung vorzunehmen. Es war eine Saalverhaftung, wie man sie nicht alle Tage erlebt und obwohl alle Beteiligten wussten, was passiert, war es dennoch bedrückend.