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Hinter Gittern – der Kinderknast

By 3. Dezember 2013März 23rd, 2023Allgemein

Wenn alleinerziehende Mütter zu Haftstrafen verurteilt werden, trifft diese Strafe nicht nur die Mutter, sondern auch das Kind. Eine besonders emotionale Situation, weil eine Trennung vom Kind und sei es nur für Monate eine vielleicht nicht mehr wiedergutzumachende Spaltung in der Beziehung zwischen Mutter und Kind bedeuten kann. Überhaupt trifft in der Regel die Trennung vom Kind die Verurteilten, egal ob Mutter oder Vater, am meisten. Aber ist die Mutter alleinerziehend und kein Vater vorhanden oder bereit, sich um das Kind zu kümmern, dann würde dies für das Kind bedeuten, in eine Pflegefamilie oder ein Heim zu müssen.

Um solchen Fällen vorzubeugen, gibt es „Mutter-Kind“-Haftanstalten, in NRW zum Beispiel hier. Dort kann das Kind „mitinhaftiert“ werden, was zunächst schlimmer klingt, als es tatsächlich ist. Die äußeren Rahmenbedingungen sind mit einem gewöhnlichen Knast nicht zu vergleichen, vielleicht eher mit einem „strengen Krankenhaus“. Die Sinngebung ist aber sehr begrüßenswert, denn durch eine solche Gelegenheit kann die Trennung von Mutter und Kind und damit ein potentielles frühkindliches Trennungstrauma beim Kind vermieden werden.Ob es vergleichbares für Väter gibt, weiß ich leider nicht, vermute allerdings eher nicht.

Aber manchmal ist es nicht so ganz einfach, dorthin zu kommen. Auch nicht für Frau Musterfrau, die neulich meine Mandantin wurde. Frau Musterfrau ist die mustergültigste Kandidatin für die Mutter-Kind-Einrichtung, die man sich nur vorstellen kann. Die Verurteilung erfolgte wegen Betruges und zu verbüßen war weniger als ein Jahr. Man war noch nie zu einer Haftstrafe verurteilt worden, das Kind ist drei Jahre alt, einen Vater des Kindes gab es nicht und alle Beteiligten inklusive der Staatsanwaltschaft und des eigentlich für die Verbüßung zuständigen Knasts waren sich einig, dass die Mandantin sich völligst für diese Einrichtung eignet. Alle Beteiligten? Nein, denn da gibt es ja noch das Jugendamt. Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz muss das Jugendamt der Unterbringung zustimmen und auch die Kosten übernehmen. Wegen der absoluten Eignung von Frau Musterfrau an sich ein Selbstläufer. Nicht so bei dem zuständigen Jugendamt. Das hatte noch nichts von solch einer Möglichkeit für inhaftierte alleinerziehende Mütter gehört. Auch das macht ja nichts; Frau Musterfrau versorgte das Jugendamt mit allen notwendigen Informationsmaterialien. Aber das Jugendamt wollte nicht. Es gäbe auch tolle Pflegefamilien – eine Zustimmung werde nicht erteilt. So blieb selbst der Staatsanwaltschaft nichts anderes übrig als Frau Musterfrau zum Haftantritt im Normalknast zu laden, was Frau Musterfrau wiederum veranlasste, in Tränen aufgelöst und mit dem Bild vor Augen, dass sich ihr Kind in einer Pflegefamilie von ihr entfremdet, in mein Büro zu kommen.

Als das Jugendamt auch auf meine Intervention hin nicht reagierte und ein Gespräch für irgendwanneinmal in Aussicht stellte, blieb lediglich eine Eilklage („einstweilige Anordnung“) vor dem Verwaltungsgericht und die Bitte an die Staatsanwaltschaft, dieses Verfahren noch abzuwarten. Auch die Richterin erkannte sofort, dass Frau Musterfrau selbstredend in diese Einrichtung gehört – wer, wenn nicht Frau Musterfrau? Und so gelang es, das Jugendamt über diesen Weg zu zwingen, für sie Neuland zu betreten und die Kostenübernahme abzugeben. Inzwischen liegt die positive Bestätigung vor und Frau Musterfrau wird nicht von ihrem Kind getrennt.

Gerade nochmal gut gegangen…