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Stelldichein der Kontrolleure

By 6. August 2013Allgemein

Gestern hatte ich einen kleinen Auftritt in einem ebenso kleinen Prozess. Ich hatte schon häufiger erwähnt, dass Schwarzfahren kein Thema für die Strafjustiz sein sollte. Ist es aber doch und so wird eben den Betroffenen nach allen Regeln der Kunst der Strafprozess gemacht. So auch gestern meinem Mandanten. Der soll 17 mal in Zügen der Bahn schwarzgefahren sein. Er sagt mir und ich neige dazu, es ihm auch zu glauben, dass er nicht schwarzgefahren sei. Erstens habe er seit Jahren eine Monatskarte und zweitens vor rund zwei Jahren seinen Ausweis verloren.

Also mussten gestern aus ganz NRW 17 Kontrolleure zum großen Stelldichein der Kontrolleure in das beschauliche Mettmann reisen. Ein großer Tag für alle schwarzfahrenden Kids außerhalb von Mettmann, da ja alle Kontrolleure bei mir im Gerichtssaal saßen. Ein schlechter Tag für alle schwarzfahrenden Kids in Mettmann, da die Kontrolleure bei ihrer Abreise bestimmt alles kontrollierten, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Nun ja, den Mandanten hat kein einziger der 17 Kontrolleure erkannt. Einer meinte, er würde ihn irgendwoher kennen („da ist was“), aber er meinte, auch mich zu kennen. Ob er mich von einer Fahrkartenkontrolle oder aus diesem schönen Blog hier kennt, das wußte er leider nicht mehr. Außerdem kam heraus, dass in einem Drittel der Fälle das verlorene Ausweispapier vorgezeigt wurde und in zwei Dritteln gar nichts – da reichte die Angabe der Personalien. Einige Zeugen wollten sich noch an ein zur Überprüfung vorgezeigtes Lichtbild erinnern, konnten aber nicht sicher sagen, aus welchem Dokument das stammen sollte („könnte aus einem Schülerausweis oder einer Sportstudiokarte gewesen sein„).

Überraschend war lediglich, dass das Gericht trotzdem verurteilen wollte. Und zwar in den Fällen, wo angeblich ein Dokument – welches auch immer – vorgezeigt wurde. Denn die Kontrolleure hätten ja das Lichtbild mit dem „Täter“ verglichen und das würde für eine Verurteilung reichen. Na, dann hoffen wir mal, dass bei wirklicher Kriminalität nicht auch so vorgegangen wird und ein kurzer Check auf ein vorgelegtes Foto des Knax-Club-Mitgliedsausweises bei dem Mordverdächtigen ausreicht…

Ich erinnerte das Gericht aufgrund seines Verurteilungswillens noch einmal per Beweisantrag an die vorhandene Fahrkarte und an einige andere für den Mandanten sprechende Details, so dass die Sitzung nun demnächst fortgesetzt wird. Ein schönes Beispiel, wie diese massive Kriminalität völlig zu Recht die Ressourcen der Justiz festsetzt…