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Mein erster Mord

By 10. Juli 2013Allgemein

Wenn man mal eine Motivationsanalyse auf der Grundlage der mir zugetragenen Straftaten vornehmen würde, dann dreht sich über den Daumen die eine Hälfte der Fälle um Drogenkriminalität, die andere Hälfte um Frauen. Nun, während man die erste Hälfte durch eine staatliche Regulation und zumindest teilweiser Freigabe von Betäubungsmitteln durch die damit verbundene weitestgehende Entkriminalisierung in den Griff kriegen könnte, ist es bei der zweiten Hälfte nicht so einfach. Eifersucht ist und bleibt eine der Hauptursachen für das Straffälligwerden, gerade bei schwersten Taten.

So auch bei meinem ersten Mordfall. Den habe ich immerhin schon als Referendar verhandelt. Zwar „nur“ als Nebenklägervertreter, aber immerhin ganz allein, denn mein damaliger Chef hat mich völlig allein in den Ring geschickt. Und so saß ich schon als junger Hüpfer in meiner ersten, wirklich richtig dicken Strafsache, die gleich über mehrere Tage verhandelt wurde. Ausgangspunkt war auch hier eine gescheiterte Beziehung. Sie, das spätere Opfer, hat mit ihm, dem Täter, nach vielen Jahren Schluß gemacht. Beide waren eher schlichte Naturen. Er war auch nach der Trennung noch unsterblich (blödes Wort in dem Zusammenhang) in sie verliebt, was sie wusste und wohl auch genoss. Und so hat sie es in den rund 14 Tagen, nachdem sie ihn rausschmiss auch regelrecht zelebriert, ihn zu demütigen. Stets kam er devot und in Versöhnungsabsicht vorbei, mal mit einem neu gekauften Hund als Geschenk, den sie, die Hundeliebhaberin, ablehnte, weil sie sich zufällig gerade selbst einen gekauft hatte, nachdem sie Wind von seinem Hundekaufplan bekam. Er musste mit seinem Spontankauf wieder abdackeln (blödes Wort in dem Zusammenhang). Mal, um sie groß zum Essen ins Wirtshaus Akropolis um die Ecke auszuführen, was sie wusste, aber dann spontan keine Zeit hatte, weil sich Männerbesuch angekündigt hatte. Kurzum: In ihm brodelte es. Dazu kam, dass er offenbar alleinstehend völlig lebensunfähig war. Die Indizien verdichteten sich aufgrund der Durchsuchung seiner Wohnung und der Aufklärung seines Umfeldes, dass er die letzten 14 Tage allein von Schnaps und Brot lebte. Auch zur Tatzeit hatte er satte 3 Promille Alkohol im Blut. Sie wird sicherlich ihren Grund zur Trennung gehabt haben, aber angekommen scheint dies bei ihm nicht zu sein.

Auch am Tattag war er schon des Morgens volltrunken. Begab sich zu ihrer Wohnung, die Nachbarn hörten lautes Geschrei und irgendwann ein Gepolter und Geschepper. Ein sich sorgender Nachbar schellte an der Wohnung, die Tür geht auf, der Nachbar fragt den öffnenden Täter, wo Frau X wäre. „Äh, äh, die ist, äh, einkaufen!“ Allerdings sieht der Nachbar schräg durch die Tür im Badezimmer einen Körper liegen. Er alarmiert die Polizei und der Täter lässt sich widerstandslos verhaften. Hinterher wird er sagen, sie hätte ihm (erneut) klar gemacht, dass sie mit ihm nicht mehr zusammen sein will und wird. Er habe mit ihr sprechen wollen, habe sie gepackt und das wohl leider etwas zu kräftig. Letztlich erlitt sie den Erstickungstod.

Den Prozess konnte ich natürlich nicht entscheidend mitgestalten. Zum einen war ich noch völlig unerfahrener Referendar, zum anderen auch nur Nebenklägervertreter. Aber spannend war es gleichwohl, wie eben das Umfeld des Ex-Pärchens ausgeleuchtet wurde. Was für arme Würstchen letztlich die beiden waren. Wie der Gerichtsmediziner anhand der Punktierung eines mir nahezu völlig unbekannten menschlichen Organs (Milz?) nachwies, dass die Todesursache Luftnot war und dass der Todeskampf vielleicht 30 Sekunden gedauert hat. Spannend auch, dass ich beim Aufkritzeln von Notizen zur Vorbereitung meines Plädoyers während einer Verhandlungspause im Auto saß und in diesem Moment in den lokalen Radionachrichten hörte, dass die Verfahrensbeteiligten gerade ihre Plädoyers vorbereiten.

Am Ende gab es 8 Jahre wegen Totschlags. Fast wären es nur 5 geworden, da er im Prinzip mit seinem Alkoholgehalt im Stadium der Schuldunfähigkeit war. Das Genick brach ihm allerdings (blöde Begrifflichkeit in dem Zusammenhang) der Umstand, dass er eine halbwegs gewitzte Ausrede fand, als der Nachbar vor der Tür stand. Laut Gericht hatte er sich also doch noch steuerungsmäßig so weit unter Kontrolle, dass er Ausreden präsentieren konnte. Somit war er nur eingeschränkt schuldfähig und nicht voll schuldunfähig (mit der Folge einer Verurteilung wegen Vollrauschs (ja, auch das ist eine Straftat – § 323a StGB).

Alles in allem ein erster und sehr deutlicher Blick in die Abgründe der Menschheit um einen rum. Aber aus Sicht des kleinen Referendars auch ein Blick, der Lust auf mehr machte…