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Lieblingsbetrugsfall

By 6. Mai 2013Allgemein

Arme Würstchen verteidige ich zuhauf. Ein besonders armes Würstchen kam mit dieser Geschichte in mein Büro: Er war vor einigen Jahren aus Zentralafrika nach Deutschland gekommen. Er sprach leidlich Deutsch, war in geschäftlichen Dingen völlig unerfahren, ja naiv. Er lebte von einigen Gelegenheitsarbeiten und in überschaubaren finanziellen Verhältnissen. Da traf es sich gut, dass er eines Tages in einem Café auf Leute traf, die eine Bombenidee hatten: Man könne sich einfach ein Mehrfamilienhaus kaufen. Um dieses zu finanzieren brauche man natürlich einen Kredit. Die Mieteinnahmen aus so einem Haus würden die monatlichen Kreditraten aber um 500€ übersteigen, so dass man einen hübschen kleinen Nebenverdienst hat, so ganz ohne große Arbeit. Dem Mandanten gefiel diese Idee von dem zusätzlichen Nebenverdienst. Besonders praktisch: Die Herren, die ihn im Café diese Idee unterbreiteten, sagten auch freimütig zu, ihn bei diesem Plan zu unterstützen.

Und so traf man sich in der Folgezeit ein paar Mal an so exklusiven Örtlichkeiten wie dem Bäcker beim Kaufland oder der Eisdiele im städtischen 70er-Jahre-Einkaufszentrum. Ein notarieller Vertrag war schon in Auftrag gegeben; die Immobilie sollte schlappe 330.000€ kosten. Auch wurde ein Besichtigungstermin vereinbart und der Mandant schaute sich mehr oder weniger oberflächlich sein neues Objekt an. Einige Tage später saß er beim Notar, sah erst- und letztmalig die Verkäufer, also die bisherigen Hauseigentümer und unterschrieb ein Papier. Was der Notar ihm vorgelesen hat, davon hat kein Wort verstanden. Einen Kreditantrag hat er außerdem nie unterschrieben, nur einmal musste er zum Postschalter, um ein Post-Ident-Dokument zu unterschreiben. Es war wirklich ein Rundum-Sorglos-Paket der Jungs aus dem Café.

Leider warf die Immobilie in der Folge keine Mieteinnahmen ab. Die Mieter zahlten überhaupt keine Miete. Aber es wurde noch unglücklicher: Bei einem nachträglichen Blick in die Unterlagen stellte der Mandant fest, dass man ihm zuvor ärgerlicherweise versehentlich ein anderes Haus gezeigt hat als das, welches er beim Notar kaufte. Es war sogar in einer anderen Stadt! Tatsächlich kaufte er eine absolut verkommene Bruchbude in einer runtergekommenen Gegend, voller Mietmängel und zorniger Mieter. Die Jungs aus dem Café lungerten zwischenzeitlich auch nicht mehr in ihren Stammlokalen herum, sie waren nicht mehr greifbar. Aus den Akten ging übrigens hervor, dass sie mit einem Makler Kontakt aufnahmen, der den Verkaufsauftrag hatte, das Haus für 150.000€ zu verkaufen. Das, was er an Mehrerlös erzielen würde, dürfte er behalten. Auch kein schlechtes Geschäft.

Angeklagt wurde allerdings unser Mandant. Die Bank erstattete Anzeige, nachdem kein Cent des Kredits zurückgezahlt wurde. Leider gelang es mir bis zuletzt nicht, die Typen aus dem Café auf die Zeugenbank zu setzen. Geradezu detektivische Arbeit führte uns zwar zu einem Namen und einer Adresse, aber wen wundert es – zu den Gerichtsterminen erschien der benannte Herr nicht. Allerdings reichten auch die anderen Beteiligten aus, um den Mandanten nicht verurteilen zu lassen. Schließlich musste sich auch die Bank fragen lassen, warum sie Kredite solcher Größenordnungen mehr oder weniger online abwickelt und warum sie trotz Objektprüfung so viel Geld rausgehauen hat. Beziehungsweise, wer solch eine dilettantische Objektprüfung vornimmt. Oder wer da so scharf auf die Vermittlungsprovision war. Als durch einen Schriftsachverständigen außerdem deutlich wurde, dass unser Mandant den Kreditantrag, in dem von einem angeblichen Arbeitseinkommen die Rede war, gar nicht selber unterzeichnet hat, wurde die Sache recht rasch eingestellt. Das Gericht nahm auch nach dem persönlichen Eindruck des Mandanten an, dass er hier einer der Betrogenen war.