Skip to main content

Grippe, Grog, Zigaretten und eine Schlägerei

By 18. Dezember 2012Allgemein

Verhandlungen vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer sind oft ein großer Spaß. Jedenfalls aus Sicht eines neutralen Zuschauers, denn die Strafen , die dort verhängt werden, sind in aller Regel happig und unangemessen hoch und müssen dann meistens in der Berufung vor dem Landgericht heruntergepegelt werden. Nichtsdestrotrotz kann man das pralle Ruhrpottleben erleben, wenn man dort seinen Tag verbringt.

So auch in meiner letzten Verhandlung dort. Ich vertrat diesmal nicht den Angeklagten, sondern den, der von dem Angeklagten einen amtlichen Faustschlag ins Gesicht versetzt bekam, der ihm das Nasenbein brach. Wie es dazu kam, war zwischen allen Beteiligten leicht umstritten. Auslöser des ganzen war -wie so oft- eine Frau. Allerdings nicht wie üblich eine Frau, der alle männlichen Beteiligten nachstellten, damit dann während des Buhlens um die Gunst der Angebeteten der eine Lüstling durch einen gezielten Schlag den mutmaßlichen Konkurrenten auszuschalten versucht. Nein, die Dame gesetzteren Alters hatte dem Alkohol zugesprochen und polterte rund ein halbes Dutzend mal bei meinem Mandanten an der Tür. Zunächst ging es wohl um die Arbeitsvertretung der krankgeschriebenen Frau, die mein Mandant übernehmen sollte. Später wollte sie unbedingt jemanden sprechen, der Gast bei dem Mandanten war. Warum, das verriet sie uns nicht. „Sag ich nicht“, äußerte sie störrisch wie ein Kind. „Das geht nur ihn und mich was an.“ Ich wollte es aber dennoch wissen, kam aber nicht weiter. Auch gut, immerhin fungierte sie als Quasientlastungszeugin des Angeklagten und es macht keinen ganz guten Eindruck, wenn sich ein Zeuge der Gegenseite die Fragen aussucht, auf die man antworten möchte.

Jedenfalls gab die Dame keine Ruhe und stand inzwischen volltrunken, krankgeschrieben und mit einer Zigarette im Mund erneut polternd an der Tür. Dem Mandanten wurde es zu bunt – er drehte die Dame um und schob sie davon. Dabei stürzte sie (ohne sich groß zu verletzen), was wiederum den Retter auf den Plan rief. Nämlich den Angeklagten. Nach seiner Darstellung lief er auf den Mandanten zu, schob ihn hinfort und nahm sodann eine Verteidigungshaltung mit vor den Kopf gekreuzten Armen ein. Nach der Darstellung meines Mandanten kam er auf den Mandanten zu und schlug ihm das Nasenbein zu Trümmern. Da der Angeklagte letztlich keine nachvollziehbare Erklärung vorzuweisen hatte, wie es zu dem Bruch kommen konnte, wo er doch nur die Arme vor dem eigenen Kopf kreuzte, wollte ihm das keiner glauben. Unsere krankgeschriebene Zeugin (auf meine Nachfrage: „Grippe“) konnte mit ihren festgestellten 1,7 Promille („ich darf doch wohl Grog gegen die Grippe trinken“) letztlich nicht zur Aufklärung beitragen. Einen Schlag hat sie aber nicht gesehen. Wir hatten auch Zeugen, ein Teil sah einen Schlag, ein Teil sah sich in der Küche um und sah gar nichts. Allen Zeuginnen und Zeugen war aber gemein, dass man sich im Gerichtssaal auch ungefragt ordentlich die nicht vorhandene Meinung über den jeweils anderen sagte. Herrlich.

Am Ende gab es dann zehn Monate zur Bewährung plus eine Schmerzensgeldzahlung an den Mandanten. Noch beim Herausgehen gab es wütende verbalaggressive Angriffe der Gegenseite auf unseren Mandanten, die in ihrer Art und Weise den Schuldspruch nur bestätigten. Mal gucken, vielleicht gibt es eine Fortsetzung vor dem Landgericht. Spaß daran hätte ich…