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Psychisch Kranke können sich selbst verteidigen

By 7. Dezember 2012Allgemein

Da war ich doch neulich in der Psychiatrie. Dort fand die jährliche Anhörung eines weggesperrten untergebrachten Mandanten statt. Wie schon hier gebloggt, erfolgt die Unterbringung fristlos und open end; erst, wenn die Richter in ihrer jährlichen Anhörung aufgrund dessen, was ihnen die Ärzte so erzählen sowie (offiziell) des Eindrucks der Untergebrachten in der Anhörung es wagen, keine Gefährlichkeit der internierten Personen mehr anzunehmen, erst dann kann man freigelassen werden. Mich dünkt, der Schnitt der Unterbringungszeit liegt bei etwa 7 Jahren; da es ein Schnitt ist, kann es auch wesentlich länger, regelrecht ewig dauern.

Dem Mandanten hatten die Ärzte bescheinigt, zu einfachsten Dingen des täglichen Lebens nicht in der Lage zu sein. Ich beantragte für ihn, dass er einen Anwalt bekommt, um der richterlichen Anhörung gewachsen zu sein, denn nach dieser ärztlichen Bescheinigung ist eine Selbstvertretung geradezu ausgeschlossen. Dieses wurde mir abgeleht. Einen Anspruch darauf gäbe es erst nach 5 Jahren (§ 463 StPO) und außerdem könne man sich auch selbst verteidigen.

Mir will nicht recht in den Kopf, wie diese Selbstverteidigung einer vom Gericht selbst für psychisch krank gehaltenen Person funktionieren soll, außer dass die sich im Zweifel um Kopf und Kragen redet. Ganz unabhängig von den Chancen auf einer vorzeitige Beendigung der Unterbringung. Deshalb legte ich siegessicher Beschwerde gegen diesen Beschluss ein. Über diese Beschwerde hat das Gericht trotz der Pflicht, innerhalb von drei Tagen über sie zu entscheiden, nicht entschieden. Ich berichtete seinerzeit.

Zwischenzeitlich fand die Anhörung statt und zwar in der Psychiatrie. Ich war sehr zeitig da und ließ mich zu dem Vernehmungsraum in dieser Hochsicherheitszone bringen. Dort wunderte man sich über mein Erscheinen. Ich wunderte mich, dass die Richter offenbar einen Anhörungstag im 5-Minuten-Takt anberaumt hatten. Alle 5 Minuten wurde ein weiterer Inhaftierter angehört. Mit den anderen Wartenden und dem Mandanten saßen wir in einer Art Wartezimmer wie beim Arzt. Niemand hatte einen Verteidiger dabei. Gelinde gesagt schockierte mich diese Anhörungspraxis, die ich durchaus auch anders kenne, nämlich mit wesentlich mehr Zeit für den Betroffenen. Als wir unsere 5 Minuten bekamen erlebte ich eine relativ kalte Atmosphäre, die ich auf den Pflichtverteidigerantrag sowie die Erinnerung, zeitig über meine Beschwerde zu entscheiden, zurückführte. Alles, was ich sagte, wurde vom Vorsitzenden ins Lächerliche gezogen. Wirklich eine unschöne Veranstaltung, die man aber in einer Psychiatrie irgendwie gewohnt sein muss. Der Mandant hat von dem, was ihm die Richter erklärten und erzählten, kein Wort verstanden. Den Richtern reichte aber das „ja“ des Mandanten auf die Frage, ob er alles verstanden hat. Damit war die Welt für das Gericht wieder in Ordnung. Erklärungsversuche in eigenen einfachen Worten habe ich dann im Nachhinein unternommen – ob diese intellektuell angekommen sind, kann ich nicht wirklich beurteilen.

Inzwischen liegt mir nach über zwei Monaten auch die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts vor. Beschwerde abgelehnt. Begründung: Textbaustein („Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden, verworfen.“)

Das „System Maßregelvollzug“ hat nach meiner bescheidenen Meinung deutliche Schwächen.