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„Er war es.“ – „Nein, er.“

By 30. November 2012Allgemein

Es ist Vormittag, der Mandant schläft noch, als es an der Tür klingelt. Durch die Tür fragt der Mandant, wer sich die Ehre gibt und bekommt zur Antwort einen ihm bekannten Namen. Allein über die Stimme wundert er sich kurz. Leider nur kurz, denn als er die Tür öffnet, bekommt er sogleich eine Faust ins Gesicht und wird in der Folge übel zugerichtet. Seine Wohnung wird von zwei Männern auf Geld durchsucht. Hinterher werden sie sagen, sie hätten geglaubt, ihr Opfer sei ein Arzt, der sein Gehalt immer in bar verfügbar hat und es dann vertrinke. Dem wollte man zuvor kommen und es ihm wegnehmen. Nur findet man kein Geld und verzieht sich mit einem alten Computer. Unterhalten hat man sich zu Tarnzwecken untereinander auf Englisch, nach Angaben des Mandanten in einem schauerlichen Akzent.

Zwei Tage drauf klingelt es erst gar nicht. Der Mandant wacht auf und sieht die beiden Täter erneut in seiner Wohnung. Sie sind mit einem Zweitschlüssel in die Wohnung gelangt, den sie von dem bekommen haben, als der sie sich zunächst ausgaben. Wieder wird der völlig erschrockene Mandant zusammen geschlagen. Die Täter flüchten mit einem zweistelligen Eurobetrag.

Der Mandant wird mit einem Notarztwagen ins Krankenhaus verbracht, wo in einer Notoperation seine Sehkraft gerettet wird. Die Täter bekommen den Abtransport mit und begeben sich ein drittes Mal in die nun leerstehende Wohnung. Durchwühlen alles, finden nichts, zerstören aus Wut seine umfangreiche Bibliothek und legen letztlich noch Feuer. Das Haus wird durch das Feuer und den Feuerwehreinsatz letztlich unbewohnbar.

Das Strafverfahren gegen die Räuber wird überraschend nach wenigen Wochen eingestellt. Man habe keine Anhaltspunkte für die Täter. Mir schwant eher, dass die Ambition der Polizei zu Ermittlungen sehr gering war, denn Mühe bei den Ermittlungen hat man sich -zunächst- nicht gegeben. Der Mandant war aufgrund seiner besonderen Erscheinung durchaus ortsbekannt, auf seine Art ein Unikat und hat in der Tat dem Alkohol sehr zugesprochen. Aus Sicht der Polizei  wohl eher ein Streit unter alkoholgewöhnten Menschen. Die Akte wird trotz der Brutalität rasch zugeklappt.

In der Tat war es nicht einfach, die Schilderungen des nachvollziehbar aufgeregten Mandanten zu strukturieren. Diese Mühe musste man sich natürlich erst einmal machen. Nachdem dies aber gelungen war, konnte die Spurenlage wie ein Buch gelesen werden und führte letztlich zu den Tätern. Juristisch musste zunächst gegen die Einstellung eine Beschwerde zur Generalstaatsanwaltschaft erhoben werden, in der wir die strukturierten Schilderungen präsentierten. Eigentlich eine Aufgabe der Polizei.

Es vergingen gleichwohl noch etliche Monate, bis die erste Verhandlung gegen den ersten Täter stattfinden konnte. Er wurde noch während der Ermittlungen verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt. Im Wesentlichen hat er die Tat gestanden, nur den Brand gelegt habe der Mittäter, der zu diesem Zeitpunkt noch flüchtig war. Das Gericht verurteilte ihn dann auch „nur“ wegen Raubes und nicht noch wegen Brandstiftung zu drei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe. Nach weiteren Monaten wurde der weitere Täter geschnappt und vor Gericht gestellt – auch er gestand und schob die Brandstiftung dem anderen in die Schuhe. Der andere, hier jetzt Zeuge, nickte das ab und erklärte diesmal, den Brand gelegt zu haben. Das führte zu einer Strafe von vier Jahren und sechs Monaten. Die Brandstiftung blieb im Ergebnis ungesühnt.

Nun steht noch eine dritte Verhandlung gegen den Hintermann an, vermutlich wegen Anstiftung zum Raub, denn er hat den Tipp, verschiedene Hinweise gegeben und auch einen Zweitschlüssel „besorgt“. Aber auch er wird wegen der Brandstiftung nicht zu belangen sein. Danach wird das Kapitel „strafrechtliche Aufarbeitung“ der Sache beendet sein; eine Zivilklage wird zwar noch zu einem Urteil auf Schmerzensgeld führen, aber es dürfte bei den Tätern wohl nichts zu holen sein.