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Der Mandant, der mich beklaute

By 10. Oktober 2012Allgemein

Ja, ist schon passiert. Sogar schon öfters. Ich erinnere mich an den ersten dieser Fälle, in dem ich den seinerzeit als Dolmetscher den eigentlichen Mandanten begleitenden Dieb (der wiederum selber früher auch schon Mandant war) noch am Abend des Diebstahls anrief und darauf hinwies, dass er versehentlich mein Mobiltelefon eingesteckt habe. Könne passieren und er soll es einfach vorbei bringen, dann wäre alles gut. Das versprach er dann auch, aber kam natürlich nicht. Am nächsten Tag wurde er auf meine telefonische Mahnung reichlich pampig und konnte sich plötzlich an nichts mehr erinnern. Bei der Gerichtsverhandlung bekam er dann in einem Gesamtpaket auch wegen weiterer Diebstahlstaten rund zweieinhalb Jahre Knast.

Jetzt habe ich jemanden verteidigt, der meinen Sozius beklaute, indem er in einem unbeobachteten Moment während der Wartezeit auf mich in das andere Büro eilte. Natürlich verteidigte ich ihm nicht wegen dieser Tat. Und natürlich haben wir uns bürointern gemeinsam beraten, wie wir mit dieser Geschichte umgehen. Letztlich haben wir uns aber dafür entschieden, dass ich den Mandanten weiter verteidige. Mal abgesehen davon, dass durch diese (Pflicht-)Verteidigungen das Geld für das gestohlene und zwecks Drogenerwerbs selbstredend binnen Minuten verkaufte Smartphone wieder hereinkommt, ist dieser völlig in den Drogensumpf abgerutschte Mandant einfach ein fürchterlich armes Würstchen, der mir aufrichtig leid tut. Bei einem Haftbesuch stritt er den Diebstahl (der auch zur Anzeige gelangte) zwar ab, aber ich wollte nicht mit ihm darüber sprechen. Dieser Vorfall ist auch eingestellt worden mit Blick auf eine Menge anderer Diebstähle, die zur Anklage kamen. So konnte ich mich gedanklich ganz gut von dem Vertrauensbruch in der Kanzlei frei machen und ihn mit uneingeschränktem Einsatz verteidigen. Und letztlich meinen Einfluss dahingehend ausüben, dass der Junge endlich seine Therapie macht. In der Hoffnung, dass er sich zukünftig nicht mehr derart demütigen muss, seine eigenen Helfer zu beklauen.