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Freikaufen

By 20. September 2012Allgemein

In meinem Büro drückt man mir einen Bündel Geldscheine in die Hand mit der Bitte, die inhaftierte Mandantin freizukaufen. Jetzt nicht in dem Sinne, dass ich zur Staatsanwaltschaft rennen soll und dort ein neues iPhone für den Sachbearbeiter in Aussicht stelle, damit die Mandantin rasch frei kommt. Die Mandantin sitzt „lediglich“, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt und daraufhin festgenommen worden ist. Ersatzfreiheitsstrafe im Fachjargon genannt. Und während dieser Zeit kann man stets zur JVA oder zur Gerichtskasse und das verbleibende Geld aus der Strafe einzahlen (für jeden gesessenen Tag dann einen Tagessatz weniger) und die Mandantschaft wird binnen ein paar Minuten entlassen. Wenn die Inhaftierten nicht damit rechnen ist das immer ein ganz schöner Augenblick.

Anders laufen die Dinge in anderen Ländern. Neulich hatte ich einen Fall mit Südostasienbezug. Die Mandantin dort wurde wegen Betrugsvorwürfen in Untersuchungshaft gesteckt. Ich hatte nicht viel zu tun und im wesentlichen mit der deutschen Botschaft korrespondiert und die Angehörigen getröstet. Dabei war der von der Botschaft empfohlene Verteidiger relativ direkt zu den Angehörigen der Mandantin. Der Kollege vor Ort hat einen satten Eurobetrag aufgerufen und anschließend erklärt, etwa die Hälfte davon sei sein Honorar für die Verteidigung. Die andere Hälfte bräuchte er, um die Justizbeamten vor Ort zu entlohnen, damit der Fall eine positive Wendung nehmen könne. Und so kam es dann auch. Ursrpünglich standen etwa 6 Jahre Haft zu erwarten. Bei einer Art Haftprüfungstermin „einigte“ man sich dann auf eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls. Das bedeutet, dass es zwar noch einen Haftbefehl gibt, man aber bis zur Verhandlung auf freien Fuß kommt. Nach ein paar Stunden konnte die Mandantin sich dann in einem Nachbarland halbwegs sicher fühlen. Ob das alles lediglich dem Verhandlungsgeschick des Kollegen vor Ort geschuldet ist oder er tatsächlich gute Geldanlagen gefunden hat, entzieht sich der Kenntnis der Angehörigen. Aber so geht Rechtsstaat woanders.