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Schiedsrichter

By 10. Mai 2012Allgemein

Naja, nicht zu einem Schiedsrichter, sondern zu einer Schiedsfrau musste ich gestern in einem Mini-Strafverfahren. Schiedsmänner und Schiedsfrauen sind (in Strafsachen) dafür zuständig, bei kleineren Delikten, die von der Staatsanwaltschaft wegen ihrer Geringfügigkeit nicht angeklagt werden, die aber von dem angeblichen Opfer trotzdem und in Eigenregie durchgeführt werden wollen, zunächst zwischen den Parteien zu schlichten. Entscheiden dürfen sie nichts. Sondern nur einen Vergleich anstreben. Das ganze Spiel nennt sich dann „Privatklageverfahren“ und kommt so selten vor, dass manchmal ein paar Jahre keine solcher Privatklagen bei Gericht eingehen.

Nun habe ich wieder so ein Ding auf dem Tisch. Der Gegner hartnäckig, der Mandant nach eigenen Angaben unschuldig. Der Gegner hat schon vor einigen Monaten eine solche Privatklage eingereicht, scheiterte aber an den Antragsfristen, so dass wir quasi kampflos vor dem Amtsgericht gewonnen haben. Praktisch – aber schon kommt der nächste Versuch.

Schiedsleute sind allerdings juristische Laien. Das mag zunächst einmal sinnvoll erscheinen; es kann einen Anwalt aber auch schon mal zum Wahnsinn treiben. Denn in diesem Fall ist es meiner Ansicht nach wieder so, dass wir kampflos gewinnen werden. Wir müssen allerdings erstmal durch dieses Schiedsverfahren und da ist es aus Gründen wichtig, dass der Mandant schweigt. Deshalb (und weil der Gegneranwalt auch dabei ist) wollte ich mitkommen. Allerdings kam die Einladung sehr knapp und ich hatte einen auswärtigen Termin in Süddeutschland, also keine Zeit für dieses Spielchen. Meinem Verlegungsantrag wollte die gute Schiedsfrau nicht nachkommen, dafür gäbe es keinen Anlass. Komisch, jedes Gericht verlegt in der Regel anstandslos Termine, wenn man dies beantragt. Nicht so die Schiedsfrau. Gute 20 Minuten kostete mich das Telefonat, in dem ich auch ankündigte, dass der Mandant schweigen würde. Dafür erntete ich noch mehr Unverständnis – denn wenn der Mandant schweigt, könne sie ja keinen Vergleich herbeiführen. Soll sie ja auch nicht, da wir im Recht sind und eben schweigen wollen (und dürfen). Verlegen könne sie den Termin nicht. Ausgeschlossen. Der Termin sei immerhin mit dem Anwalt der Gegenseite abgestimmt. „Aber nicht mit mir.“ Da ist mir dann ein wenig die Hutschnur geplatzt und wollte das Gespräch nun rasch beenden. Sagte, dann solle der Termin halt stattfinden und ich suche mir einen Kollegen, dem ich den Nachmittag mit dieser Veranstaltung ruinieren würde. Dem habe ich einen entsprechenden Vermerk geschrieben. Nur leider hatte ich vergessen, dem Mandanten zu sagen, dass der Termin doch überraschend stattfindet, obwohl ich ja keine Zeit hatte. Mein Fehler. Deshalb kam er auch nicht und kassierte gleich ein sogenanntes Ordnunsgeld von 80€. Die Maximalsumme an Ordnungsgeld. Darum wird sich noch das Gericht kümmern. Zur Not muss ich es wohl selber zahlen, wenn es das Gericht nicht aufhebt. Da der Mandant aber schuldlos den Termin versäumte, dürfte das Ordnungsgeld aber aufgehoben werden.

Nun der zweite Termin. Wir kommen. Ich muss mich auch gleich belehren lassen, dass man sich einander bitte ausreden lässt und so kann ich erst, nachdem ich den Gegner habe ausreden lassen, sagen, dass er sich das lange Reden hätte sparen können, weil mein Mandant als Beschuldigter eines Strafverfahrens nichts sagen muss und dies auch nicht tun wird. Belehrt worden über sein Schweigerecht ist er zur Sicherheit nicht. Gut, dass ich dabei war. „Aber dann ist ja jetzt schon alles vorbei.“ – „Genau. Auf Wiedersehen.“ Als ich auf die Frage, warum der Mandant zum ersten Termin nicht gekommen sei nochmals erkläre, dass es mein Patzer war, da ich nicht gedanklich so weit war, dass man einem Verlegungsantrag nicht nachkommt, hiess es „dann zahlen Sie eben die Strafe“. Tss.

Und so kann es jetzt endlich in das Gerichtsverfahren gehen und die nächste Runde sollte wieder so ausgehen, wie die erste.

Zu Schiedsleuten gehe ich nicht gerne. Wegen solcher Erfahrungen und dem Eindruck, dass diese Veranstaltungen meist nicht so richtig sinnvoll sind bzw Streit erst weiter schüren. Manchmal sind die Schiedsleute aber auch komisch. Einer sagte mir mal, dass richtig gute Anwälte ja nicht zu solchen Schiedsterminen kommen würden. Ich war viel zu perplex, um zu realisieren, ob er mir diese Ohrfeige bewusst oder unbewusst ausgeteilt hat. Im Nachhinein tippe ich eher auf unbewusst.

Zum Glück kommt es nur alle paar Jahre vor, dass man in die Niederungen des Schiedswesens herabsteigen muss – fast immer, um die Mandanten zum Schweigen zu verdonnern, denn sie würden nämlich einfach drauf los plappern und sich vermeintlich verteidigen wollen, wenn nur der Gegner und die Schiedperson da wären. Aber vielleicht hat der zitierte Schiedsmann auch recht und ich bin kein richtig guter Anwalt. Wird wohl stimmen. Was tu ich mir das auch an.