Skip to main content

Verkalkuliert

By 27. März 2012Allgemein

Da sitze ich in einer Drogengeschichte und rechne mit einer Strafe für den Mandanten von etwa zwei bis drei Jahren. Amphetamin in deutlich nichtgeringer Menge. Ihm habe ich in den Vorgesprächen auch in etwa dieses Strafmaß angekündigt. Ein gutes Ergebnis für uns wäre es, wenn wir ungefähr bei zwei Jahren rauskommen würden, dann könnte er nämlich eine sechsmonatige Therapie abreißen und der Rest würde zur Bewährung ausgesetzt werden.

Also lasse ich mich für den Mandanten absprachegemäß geständig ein und verweise auf alles, was für ihn spricht. Auch absprachegemäß sagt der Mandant dann noch ein paar Takte, ich frage noch ergänzend weitere positive Dinge des Lebenswegs aus ihm heraus und das Gericht bittet um die Plädoyers.

Der Staatsanwalt wiederholt meine Argumente, verweist noch auf die großen Mengen von den beschlagnahmten Drogen sowie die vielen Vorstrafen und beantragt zu meiner Überraschung eine Strafe von nur einem Jahr und drei Monaten. Zur Bewährung.  Sofort muss ich mein Konzept umwerfen und mir überlegen, wie ich das noch unterbieten könnte, schließlich war ich vorher auf einer ganz anderen Linie. Stelle also nochmal heraus, dass der Mandant eine arme Wurst ist etc pp, denke mir etwas zum „minderschweren Fall“ aus, der eine Strafe auch unter einem Jahr machbar werden lässt und beantrage eine milde Bestrafung, aber bitte nicht mehr als die Mindeststrafe von einem Jahr. Schon aus Prinzip den Antrag unterboten.

Dem Mandanten flüstere ich dann noch ins Ohr, dass er trotzdem damit rechnen müsse, höher bestraft zu werden, da das Gericht auch mehr ausurteilen kann als die Staatsanwaltschaft beantragt. Noch ist der Drops mit der Bewährung nicht gelutscht.

Während ich noch erkläre, dass es schlimmer werden kann, kommen die Richter vom Schöffengericht schon wieder herein und verkünden das Urteil: „1 Jahr zur Bewährung“. Ein minderschwerer Fall sei es nicht, aber die Mindeststrafe reicht aus.

Ja gibt es denn sowas? Das Urteil wird auch noch rechtskräftig und der Mandant sofort aus der Haft entlassen (er saß seit dem Drogenfund in anderer Sache in Strafhaft und seit drei Tagen vor der Verhandlung in U-Haft („Überhaft“)).

Krass verschätzt, würde ich mal sagen. Aber warum nicht mal so. Besser als andersrum…