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Man braucht gute Karten UND Glück

By 11. Januar 2012Allgemein

…und das auch in vermeintlich kleinen Sachen.

Die guten Karten sahen wie folgt aus: Der Mandant sollte einen Verkehrsverstoß begangen haben. Ordentliches Bußgeld und Punkte in Flensburg. Er sagt: Stimmt so nicht. Oft kommt dann bei der Vernehmung des einzigen Polizeibeamten heraus, dass Polizistinnen und Polizisten schon von Berufs wegen nicht lügen und dieser Berufsgruppe auch Irrtümer vollkommen fremd sind (Beamtinnen und Beamte scheinen ohnehin diese menschlich einzigartige Fähigkeit aufzuweisen, jedenfalls, wenn man richterliche Entscheidungen studiert), somit kann auch die Einlassung des Mandanten nicht stimmen.

Ich hatte damals zur Bußgeldbehörde geschrieben, dass ich den Mandanten verteidige. Eine schriftliche Vollmacht habe ich -wie so oft- nicht beigefügt. Der Bußgeldbescheid kommt dann auch irgendwann, danach mein Einspruch und die Sache landet bei Gericht. Ich denke mir so „au prima“, denn die Behörde hat den Bescheid formal an mich zugestellt. Da ich aber keine Vollmacht mitgeschickt habe, funktioniert das nicht so. Bedeutet, dass der Bescheid eigentlich nochmal offiziell zugestellt werden müsste und zwar an den Mandanten, nicht an mich. Das wiederum ist jetzt etwas spät, denn die drei Monate Verjährungsfrist sind um. Also: Sache verjährt. Ein Klassiker der Verteidigung.

Freudestrahlend teile ich dem Mandanten mit, dass wir quasi schon gewonnen haben und dem Gericht, dass man den Termin bitte aufheben möge, weil die Sache so ist, wie sie ist. Vom Mandanten höre ich, vom Gericht nicht. Der Termin naht und ich habe noch andere Dinge zu tun, deshalb nochmal die höfliche Nachfrage, wann denn die Aufhebung komme. Endlich bekomme ich eine Antwort: Es bleibe bei dem Termin. Als Begründung schickt man mir eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft: Diese versteht die Welt nicht mehr, denn ich habe mich doch als Verteidiger bestellt. Zum Beweis schickt man mir die Kopie meiner Verteidigungsanzeige. Ich fasse mir an den Kopf und erkläre dem hohen Gericht nun zum ichweißnichtzumwievielten Male ausführlich, wo der Unterschied besteht zwischen „ich bestelle mich zum Verteidiger“ und zum „ich schicke auch eine schriftliche Vollmacht mit, damit Ihr formelle Zustellungen auch an mich schicken könnt“.

Wie dem auch sei – das Gericht hat sich scheinbar festgelegt und ich muß mit einer Verurteilung rechnen, obwohl formal völlig im Recht. Kostenrisiko trägt der Mandant und auf die nächste Instanz ist auch nicht immer Verlass (gelinde gesagt).

Und jetzt kommt unser Glück ins Spiel: Zum Jahreswechsel ändert sich beim Gericht die Aufgabenverteilung. Statt unserer Richterin übernimmt nun ein anderer Richter. Der guckt sich die Sache an und hebt nun den Termin auf. Denn die Sache sei verjährt. Ach so. Dem Staatsanwalt schickt er nochmal zum Nachdenken und Stellung nehmen die Akte und danach werde eingestellt.

Geht doch.