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Gewissheit gegen Alibi

By 26. Oktober 2011Allgemein

Einer Frau wurde beim Einkaufen die Brieftasche geklaut. Sie öffnet ihre Handtasche und lässt ihre Papiere mehr oder weniger achtlos links liegen. Das bringt den lauernden Dieb auf den Plan, der die Brieftasche sieht, sie ergreift und sich davon macht. So oder so ähnlich laufen tagtäglich massenhaft Diebstähle ab.

Die Frau bringt das ganze zur Anzeige und behauptet, sich den Täter gut gemerkt zu haben. Deshalb wird ihr die berühmte Lichtbildmappe präsentiert, in die man es schafft, wenn man mal erkennungsdienstlich behandelt wurde. Und das wird man nicht nur, wenn man ein anerkannter Straftäter ist, sondern auch schon dann, wenn man nur mal einer Straftat verdächtig war und die sogenannte ED-Behandlung angeordnet wurde. Der bloss Verdächtige kann versuchen, die Bilder wieder löschen zu lassen, was aber dank der manchmal kuriosen Gerichtsbarkeit nicht immer gelingt. Denn ist man schon häufiger in den Fokus der Ermittler geraten oder besteht nach Kriminalistenmeinung die Gefahr, dass man aufgrund eines „Potentieller-Täter-Algorithmus“ bald mal zum Straftäter werden könnte, bleiben die Fotos schön in der Kartei. Und ob die Bilder, die offiziell gelöscht werden, auch wirklich gelöscht werden oder bloss in einen „Gelöscht-Ordner“ (für schlechte Zeiten sozusagen) verschoben werden, das mag mal dahin stehen.

Jedenfalls hat die bestohlene Dame Erfolg bei ihrer Suche. Sie ist sich zu 100% sicher, den Täter auf dem Foto wiedererkannt zu haben. So ein Glück. Jetzt wird alles gut. Denkt sich auch die Polizei und ermittelt gegen den Verdächtigen. Die ganze Sache hat allerdings einen kleinen Schönheitsfehler, der es wiederum dem Verteidiger leicht macht: Der Herr sitzt schon ein paar Jahre ein und zufällig auch an dem Tattag. Also wird das Verfahren schnell abgeschlossen – der Täter sei nicht mehr zu ermitteln.

Was aber gewesen wäre, wenn es das behördlich abgesegnete Top-Alibi nicht gegeben hätte, will man sich gar nicht vorstellen. Der Dame wäre im Zweifel geglaubt, seine Einlassung wäre als bloße Schutzbehauptung abgeschmettert worden und es hätte eine empfindliche Strafe für das Bestehlen alter Damen bei fehlendem Unrechtsbewußtsein gesetzt. Jedenfalls kein sehr unrealistisches Szenario. Und soviel auch mal wieder zur angeblichen Wiedererkennung auf der ollen Lichtbilderkartei.

Manchmal hat also auch der Strafvollzug so seine Vorteile.