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Name and shame

By 6. September 2011Allgemein

Zurück am Schreibtisch nach zwei Wochen Urlaub in England. Abgesehen von großartigen Eindrücken muss auch etwas juristisches aus dem Urlaub mitgebracht werden. Gerne schimpfe ich über unser Jugendstrafrecht beziehungsweise das, was durch manche Entscheidungen und Verhandlungsführungen daraus gemacht wird. Und wer mich kennt bzw diesen Blog aufmerksam beobachtet, wird wissen, dass ich damit nicht „zu milde“ Strafen meine. So bin ich ein großer Gegner von Arresten, die gerne von Jugendrichterinnen und -richtern verhängt und die aus der konservativen Ecke stets als Allheilmittel propagiert werden. Ich bin der Auffassung, dass das frühzeitige Einsperren von Kindern und Jugendlichen für (wiederholte) Kleinigkeiten gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstößt und gerade psychisch labile Kinder und Jugendliche schwer verstören kann. Aber das ist ein eigenes und langes Thema.

Zurück zu den Ereignissen in England: Die riots in London, Birmingham und anderswo waren gerade zuende und die gesellschaftliche wie juristische Aufarbeitung stand an. In meinen Ohren klang es geradezu fürchterlich, was ich in den Abendnachrichten der BBC wahrnehmen musste. Es hagelte in Schnellverfahren mitunter lange Freiheitsstrafen, teilweise sogar von mehreren Jahren für Vergehen, die man wohl als „Anstiftung zum Landfriedensbruch“ qualifiziert hat, die aber darin bestanden, dass Halbwüchsige, die schon örtlich abseits jeglicher Krawallzonen auf Facebook posteten „Letz start a riot“. Keine Gewaltanwendung, kein Anwesendsein bei Krawallen, sondern alleiniges Posten von Unsinn auf Facebook soll für Strafen ausreichen, die weit jenseits von allem Vorstellbaren sind. Ich kann nicht beurteilen, ob dies Einzelfälle sind, die der populistischen Bekämpfung der riots geschuldet werden oder die Linie im englischen Jugendstrafrecht darstellen. Jedoch hört man immer wieder von 11-jährigen, die bestraft werden, in Schottland soll wohl schon für 8-Jährige die Strafmündigkeit gelten (bei uns ab 14 Jahren). Da fehlen mir echt die Worte.

Eine weitere englische Spezialität ist das „name and shame“. Es basiert auf einem Pranger-Prinzip und erlaubt der Justiz, die Namen von Beschuldigten sowie ihre Fotos an die Medien zu übergeben. Und diese Medien, nicht nur Schmierblätter aus dem Murdoch-Imperium, sondern auch die ehrwürdige BBC ist sich nicht zu schade, diese Fotos und Namen mit der Schilderung der angeblichen Vergehen auch zu publizieren.

Insoweit kann ich nicht anders, als dieses inhumane System zu benennen und anzuprangern, auch wenn das in England niemanden interessieren wird. Aber es lässt sogar mich tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass es im Vergleich dazu in unserem Jugendstrafrecht relativ human zugeht.