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Kreative Umgehung eines Grundrechts

By 5. Mai 2017Allgemein

Manchmal ist die Polizei ja durchaus kreativ, wenn es darum geht, ein Verhalten zu sanktionieren, welches ihr nicht passt. Nachdem in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert wurde, ob die öffentlich getätigte Äußerung „ACAB“ oder eine ihrer zahlreichen Abwandlungen strafbar sind oder nicht, machte das Bundesverfassungsgericht glücklicher- und richtigerweise deutlich, dass es sich um eine erlaubte Meinungsäußerung handelt und, jedenfalls nicht ohne weiteres, keine Beleidigung von einzelnen Polizisten darstellt. Viele Beleidigungsverfahren von sich beleidigt fühlenden Polizisten mussten daraufhin eingestellt werden.

Da muss man doch was gegen tun können, dachte und denkt sich die Polizei im Raum Frankfurt und griff zu einem Trick: So wurden Personen nicht wegen Beleidigung angeklagt, sondern wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ (§ 118 Ordnungswidrigkeitengesetz) zu einem Bußgeld verdonnert. Die Zurschaustellung der Buchstaben „ACAB“ soll demnach eine grob ungehörige Handlung sein, die geeignet sei, die Allgemeinheit zu belästigen. Nun ja. Ich weiß ja nicht, wieviel Prozent der Allgemeinheit überhaupt weiß, was „ACAB“ überhaupt heißt und wieviel Prozent von denen wiederum sich dadurch belästigt fühlen. Aber aus Sicht der Polizei war es wohl einen Versuch wert und zumindest die hessischen Gericht verurteilten auch fröhlich zu Geldbußen.

Jetzt traf es auch einen Mandanten bei einem Besuch eines Fußballspiels in Frankfurt. Es war ziemlich heiß und so konnte man am Unterschenkel neben diversen anderen Tätowierungen auch ein „ACAB“ erkennen. Ehrlich gesagt musste man da schon 04 mal hinschauen, um das genau zu erkennen. Aber wer beledigt sein möchte, findet dann auch so etwas und zeigt die Person an. Die Allgemeinheit muss vor solchen ungehörigen Belästigungen geschützt werden. Jawoll!

Es setzt ein Bußgeld von 240€. Warum 240€? Erstens, weil die Bußgeldbehörde, also hier die Stadt Frankfurt, sich die Summe innerhalb eines recht weiten Rahmens aussuchen kann. Und zweitens, weil alles unter 250€ nur sehr eingeschränkt von nächst höheren Gerichten überprüft werden kann. Verdonnert das Amtsgericht die Personen zu diesem Bußgeld, kann man nicht mehr in die Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht gehen, sondern kann nur die „Zulassung zur Rechtsbeschwerde“ verlangen. Ergo gibt es keinen garantierten Rechtsschutz vor Fehlentscheidungen.

Bis auf das Bundesverfassungsgericht natürlich. Und mit dessen Ausführungen zur Meinungsfreiheit argumentierten wir nun vor dem Amtsgericht Frankfurt. Mit der ganz klaren Ansage, dass im Falle einer Verurteilung der Weg nach Karlsruhe gegangen wird. Denn (erlaubte) Meinungsäußerung bleibt Meinungsäußerung, so dass das, was bei angeblich strafbaren Beleidigungen zugunsten der Meinungsfreiheit streitet erst Recht bei bloßen Ordnungswidrigkeiten gelten muss.

Und damit konnte das Gericht überzeugt werden. Am Ende wurde das Verfahren gegen den Mandanten nicht nur eingestellt, die Staatskasse muss auch seine Anwaltskosten in voller Höhe tragen. Vielleicht ist das der Anfang vom Ende auch dieser vermeintlich kreativen Idee der Polizei. Bis man sich wieder etwas neues ausdenkt.