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Prominentenstrafrecht – ein populistischer Beitrag

By 29. Januar 2015März 23rd, 2023Allgemein

Strafverfahren gegen Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, sind ja so eine Sache. Die Öffentlichkeit ist meist so halbinformiert, lässt sich in großen Teilen durch die Medien dann aber doch eine „eigene“ Meinung bilden. Und die geht meist in die populistische Richtung a la „die Großen lässt man laufen, die Kleinen hängt man.“ Populismus at its best. Aber ist da vielleicht sogar was dran? Was ist mit den Strafen und Verfahrenseinstellungen gegen Hoeneß, Reus, Ecclestone, Helmut Kohl, Ackermann, Zumwinkel, Guttenberg oder Hartz? Tatsächlich wird man das Gefühl nicht los, dass die Justiz in diesen Fällen tatsächlich mit angezogener Handbremse entscheidet. In all den genannten Fällen -Hoeneß und Ecclestone voran- hätte man ohne weiteres eine (deutlich) höhere Strafe erwarten können. Der nächste in der Reihe wird Gerd Niebaum sein, der Ex-Präsi von Borussia Dortmund, er sitzt gerade vor seinem Heimat-Landgericht wegen angeklagten Betruges auf der Anklagebank. Trotz einer stattlichen Schadenssumme wird bereits jetzt kolportiert, dass Niebaum wohl mit einer Bewährungsstrafe rechnen darf [LINK ENTFERNT] – ein 08/15-Angeklagter hätte diese Chance bei vergleichbarem Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht.

Aber warum ist das so? Sicherlich ist bei sogenannten Prominenten immer zu deren Gunsten zu berücksichtigen, dass der Prozess im Gegensatz zum gewöhnlichen Straftäter sehr in der Öffentlichkeit stattfindet. Je prominenter und delikater der Vorwurf, desto voyeuristischer und vorverurteilender schreibt vor allem der Boulevardjournalismus. Das ist für die Betroffenen besonders belastend und muss natürlich strafmildernd Berücksichtigung finden. (schlimmer ist dieser Umstand indes für diejenigen Prominenten, die unschuldig angeklagt und durch den Boulevard durch den Dreck gezogen wurden wie etwa bei Kachelmann oder Türck). Oder hat die Justiz bei Prominenten dann auf einmal ein schlechtes Gewissen, hart zu bestrafen? Können die Richter bei Personen, mit denen sie sich vielleicht sogar in früheren Tagen mal identifiziert haben, auf einmal mitfühlen wie es ist, wenn die ausgeurteilten Strafen Wirklichkeit werden? Dass man auf einmal menschlich nachvollziehbare Hemmungen hat, jemandem einige Jahre seines kurzen Lebens zu nehmen? Dass man sich auf einmal seiner Macht bewusst wird? Vielleicht liegt es auch nur daran, dass vermögende Angeklagte in der Lage sind, mehr Geld in ihre Verteidigung zu stecken. Mehr Honorar gibt dem Verteidiger mehr Zeit, sich auf diesen besonderen Fall zu konzentrieren und nebenbei können eigene Gutachten bezahlt und in das Verfahren eingeführt werden, wenn es darauf ankommt. Vielleicht ist es aber auch nur die Summe all dessen.

Wie auch immer es psychologisch zu begründen ist – eins ist auch Tradition: Wann immer eine Vergleichbarkeit zu Fällen gewöhnlicher Angeklagter gegeben ist, will die Justiz von ihren Geschenken an die Prominenten nichts mehr wissen. Ich werde in Plädoyers nicht müde darauf hinzuweisen, dass der Staatsanwalt bei meinem Mandanten für einen Betrug bei einer Schadenssumme von 30.000€ eine Strafe von 5 Jahren fordert, man Herrn Hoeneß aber schon nach ein paar Monaten in den offenen Vollzug lässt (und das in Bayern!). Oder, oder, oder. Die Reflexe sind dann immer gleich: „Das ist ein anderer Fall“, „Ich kenne die Akte von dem Fall nicht“, „Das ist nicht vergleichbar“, „Das haben andere Richter entschieden – wir entscheiden immer so wie hier“ usw.  Selbstredend – jeder Fall ist anders und jeder Fall muss individuell geprüft und beurteilt werden. Aber dennoch lassen sich dem Grunde nach einige Sachverhalte durchaus vergleichen. Es wäre nur schön, wenn man nicht so täte, als würde es keine Ungleichbehandlung geben. Wenn man das Schicksal des gewöhnlichen Angeklagten genau so ernst nehmen würde wie des prominenten, in das man sich ganz gut hineinversetzen kann. Aber das wird wohl nix.