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Erbsenzähler, die zu viel im Stau stehen

By 26. Juli 2013Allgemein

Ich hatte schon mal darüber berichtet, dass bei den Gerichten Menschen angestellt sind, die alle meine angefertigten Kopien daraufhin durchsehen, ob auch jede Kopie wirklich notwendig war. Dies geschieht dann, wenn der Staat mir Geld für z.B. Pflichtverteidigungen schuldet. Ich kopiere immer die ganze Akte, weil mir für so einen Unsinn die Zeit fehlt. Die Gerichte ersetzen aber nicht jede Kopie, sondern nur die, die man für notwendig erachtet. Dafür muss ich den Berg zum Gericht schicken bzw faxen und irgendwann bekomme ich Nachricht darüber, welche Kopien ich nicht hätte machen müssen und wieviel Cent ich nun weniger an Gebühr bekomme. Wenn ich dann mal Leerlauf habe, formuliere ich gerne auch mal eine Beschwerde und lasse den Richter über die Notwendigkeit der Kopie von Blatt 1023 der Akte entscheiden. Was diese Erbsenzählerei kostet und was sie einbringt, kann man sich ja vorstellen.

Ähnlich verhält es sich bei den Reisekosten. Der Staat muss mir, wenn ich Pflichtverteidiger bin und eine Verhandlung außerhalb von Gladbeck führen muss, die Reisekosten ersetzen. Inzwischen fahre ich dafür meistens mit der Bahn. Da kann man nicht nur gut bloggen, sondern auch mal die Füße hochlegen und den bevorstehenden Fall entspannt durchdenken. Der Preis für die Bahnfahrt wird ersetzt. Nicht ersetzt wird jedoch die Bahncard, egal, ob man nun eine Bahncard 100 oder eine Bahncard 50 hat. Auch nicht anteilig. Die Gerichte sagen humorlos, man könne nicht aufteilen, wieviele Kosten für den einzelnen Fall auf die jeweilige Bahncard umzulegen sei. Denn man weiß ja nicht, für wieviele weitere Fahrten der Anwalt, dienstlich und/oder privat, diese Bahncard genutzt hat. Und weil man das nicht umrechnen kann, gibt es mal gar nichts. Mit der Konsequenz, dass der Bahncard 100-Inhaber für den Staat umsonst fährt und der Bahncard 50-Inhaber immerhin 50% der Kosten einspart. Oder eben mit der Konsequenz, dass man das mit der Bahncard lässt und immer schön den Vollpreis zahlt und abrechnet, denn den bekommt man ja.

Auch Versuche von Anwälten, eine Pauschalierung der Kosten zu erreichen, scheiterten, so etwa in dieser Entscheidung hier.

Nun fragt man sich, woher solche Entscheidungen kommen. Der volle Bahnpreis wird bezahlt, aber nicht der halbe zuzüglich eines Anteils an der Bahncard, auch wenn die Summe weniger ausmacht als der Vollpreis. Beim Auto geht es doch auch – dort kann man erst recht nicht auseinander dividieren, wieviel Anschaffungskosten, Wertminderung, Reperaturaufwand und Spritkosten auf die jeweilige Dienstreise entfallen – und das auch noch bei mehreren tausend verschiedenen Automodellen. Deshalb wird bei der Autofahrt mit 30 Cent pro Kilometer pauschaliert. Vernünftig. Und dringend zu übertragen auf Bahnfahrer. Denn die Erbsenzählerei bei der Bahncard, die dem Staat letztlich noch Verluste bringt, kann doch nur damit erklärt werden, dass die zur Entscheidung berufenen Richter vor lauter Warten im Stau zu frustriert für eine sinnvolle Entscheidung waren.