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Heiteres Fotoraten

By 12. April 2012Allgemein

Wenn die Polizei nach einer Tat einen bestimmten Täter überführen will, dann macht sie mit Zeugen oft sogenannte „Wahllichtbildvorlagen“. Es gibt einen Verdächtigen und den Zeugen werden ein paar Bilder vorgehalten. Danach soll der Zeuge sagen ob er auf diesen Bildern den Täter wiedererkannt hat.

Heutzutage läuft dies mit „virtuellen Vergleichsbildern“. Früher hat man einfach Bilder von anderen, schon fotografierten Tätern aus anderen Sachen genommen und den Zeugen unter die Nase gehalten. Heute sind es in der Regel sieben künstliche Fotos und das echte des Beschuldigten. Blöd ist nur, dass die künstlichen Fotos meist arg künstlich aussehen. Wenn ich eine Akte auf den Schreibtisch bekomme, in der eine Wahllichtbildvorlage gemacht wird und den Beschuldigten vom Ansehen her nicht (mehr) im Kopf habe (oder es einen Mitbeschuldigten betrifft), mache ich mir immer den Spaß und errate, welches das echte Foto ist. Die Trefferquote ist hoch. Irgendwann werde ich den Beweisantrag stellen, dass es aus gesichtspsychologischer Sicht (gibt es sowas?) naheliegend ist, automatisch auf das einzig echte Foto zu zeigen, egal, wer der wahre Täter ist.

Ob aber abgesehen davon immer alles mit rechten Dingen zugeht, ist mal so eine Frage. Die Polizei hat ja schon einen im Fokus, den sie gerne überführen möchte. Und da kann man den Zeugen schonmal mit der Nase auf das richtige Foto stoßen. Ich selbst war zu Studienzeiten auch mal Opfer einer Straftat geworden: Als studentischer Taxifahrer hatte ich nach einer nächtlichen Fahrt zwar kein Geld mehr, dafür aber eine Faust im Gesicht und eine blutige Nase. Der Täter war im Wald verschwunden. Ich konnte mit ziemlicher Gewissheit zumindest die Straße benennen, in der der Täter wohnte. Nach einigen Wochen kam der Anruf der Polizei: „Wir haben ihn. Kommen Sie bitte zur Identifizierung vorbei.“ Ich schnurstracks dorthin und bekam drei Fotos vorgelegt: Zwei Passfotos und ein Poster. Der Täter war nicht dabei. Polizist: „Wirklich nicht?“ Ich: „Nein.“ Polizist schiebt das postergroße Foto nochmal hoch: „Aber der hier?“ Ich: „Nein. Der hatte schwarze, kurze Haare, ein schnöseliger Typ. Dieser hier hat lange, blonde Haare und ist mehr Rocker.“ Polizist: „Aber der wohnt da und hat Vorstrafen.“

Ich will nicht unterstellen, dass es immer so läuft. Aber Wachsamkeit ist schwer angezeigt, wenn es um solche „Gegenüberstellungen“ geht.