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Auskunftsfreudige Ärzte

By 8. Dezember 2011Allgemein

Letztens berichtete ich von einem Staatsanwalt, der zur Verhandlung nicht bzw sehr viel später kam. Passiert das dem Angeklagten, kann das schon mal dramatischere Folgen haben. Ist er nicht hinreichend entschuldigt, kann er mit dem Polizeitaxi gebracht oder -manche Richter bevorzugen das- mit einem Haftbefehl für sein Fernbleiben bestraft werden.

Nun gibt es Fälle, in denen ein Angeklagter wirklich erkrankt. Wenn ich davon Kenntnis habe und allein auf der Anklagebank sitze, teile ich das auch mit. Dann erlebt man manchmal überraschendes: Der Richter steht auf, geht nach hinten und telefoniert mit dem Arzt.

Manchmal passiert dann noch mehr überraschendes: Der Richter kommt wieder rein und berichtet, was der Arzt ihm am Telefon so erzählt hat.

Seit wann gilt die ärztliche Schweigepflicht nicht mehr, wenn Richter anrufen? Abgesehen davon, dass der Arzt in der Regel nicht weiß, ob der Anrufer tatsächlich Richter ist – was ermächtigt ihn, die pikanten Geheimnisse seiner Patientinnen und Patienten weiterzutratschen? Und was denkt sich ein Richter, wenn er kraft seiner ihm vermeintlich zustehenden gesellschaftlichen Macht einen Arzt geradezu unter Druck setzt, die ärztliche Schweigepflicht zu brechen?

Ich bin jedesmal verwundert, wenn diese Telefonate geführt werden und mit welcher Selbstverständlichkeit dies geschieht. Manchmal erlebt man Ärzte, die keine Auskunft geben, aber viel zu oft ist das Gegenteil der Fall. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, selbst wenn die Auskunft einmal positiv für den Mandanten ist. Es gibt auch keinerlei Rechtsgrundlage, die mir einfallen würde, welche das Verhalten von Richter und Arzt irgendwie rechtfertigen würde. Prinzipiell haben sich beide strafbar gemacht. Der Arzt wegen Verletzung von Privatgeheimnissen und der Richter wegen Anstiftung hierzu.

Will ich mal hoffen, dass mein Arzt nicht allen am Telefon erzählt, weshalb ich ihn so aufsuche.