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Eigenwillige Zeitrechnung

By 17. Oktober 2011Allgemein

Beim Mandanten steht morgens völlig unerwartet ein Häufchen Polizisten. Sie kommen aber nicht, um Freunde zu werden oder zu helfen, sondern um die Wohnung auf den Kopf zu stellen auf der Suche nach dem Computer des Mandanten. Den finden sie dann auch und nehmen ihn mit. Zu Beweiszwecken, wie es heisst. Letztlich auch eine Form des Staatstrojaners, aber ohne trojanisches Pferd, sondern mit plumper Gewalt. In dem entsprechenden Durchsuchungsbeschluss kann der Mandant schließlich den Grund nachlesen: Seine ehemalige Affäre wirft ihm vor, Nacktfotos ins Netz hochgeladen zu haben. Der Klassiker.

Nun denn, wenn mich meine Menschenkenntnis und mein Bauchgefühl nicht trügen (worauf ich aber nicht wetten würde), dann ist dieser Mandant zu unrecht belastet. Seine Ex-Affäre scheint, so sind jedenfalls meine Eindrücke, relativ umtriebig zu sein. Außerdem geben mir seine Fragen rund um das Internet Anlass zu der Behauptung, dass der gute Mandant sich eigentlich nicht ansatzweise mit der hohen Kunst des Netzwerkens und Hochladens von Nacktfotos ehemaliger Verflossener auskennt. Nun denn, ich mag mich täuschen, aber so mein Eindruck.

Jetzt haben die Polizisten meinem mutmaßlich unschuldigen Mandanten aber immerhin den Computer weggenommen. Vor deutlich über einem Jahr. In der Zwischenzeit haben sie vielleicht allerhand damit gemacht, aber nicht das, was sie offiziell damit anstellen sollen. Ausgewertet ist er nämlich keineswegs. Da der Mandant nicht auf großem Fuß lebt, kann er sich auch nicht einfach so einen Ersatz kaufen.

Auf meine Beschwerde gegen die andauernde Beschlagnahme gestützt auf Unverhältnismäßigkeit und Nichtstun bekomme ich von dem zuständigen Ermittlungsrichter nach gut einem Jahr die Ansage, noch sei man wohl noch im Rahmen des Zulässigen. „Wenn sich aber in drei Monaten immer noch nichts getan hat, dann….„. Wieso auch immer 12 Monate noch in Ordnung seien, um einen harmlosen und nicht passwortgeschützten Rechner immer noch nicht zu analysieren, 15 Monate dagegen nicht mehr, das verstehe ich nicht recht. Aber gut, dass die drei Monate jetzt um sind. Ich habe an die Worte erinnert und harre jetzt gespannt der Entscheidung.

Und danach geht’s hoffentlich auch endlich mit der Gegenanzeige wegen falscher Verdächtigung weiter.