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Die Schreiben der Anderen

By 19. Mai 2011Allgemein

Kollegen zu beobachten heisst, von Kollegen zu lernen. Oder zu bemerken, dass die auch nur mit Wasser kochen. Je nach dem.

Kollegen kann man auch in ihren Schreiben beobachten. Teilweise findet man in Akten Briefe von Kollegen, die regelrecht herzerfrischend sind. Hier drei Beispiele:

Ein Kollege verteidigt einen Mitbeschuldigten und versucht, den beschlagnahmten Führerschein wiederzuerlangen. Er drängt auf beschleunigte Bearbeitung, allerdings in einer speziellen Form:

Ich wäre froh, wenn es eine Entscheidung bis zum 20.12. gibt. Man soll vor Weihnachten nicht so viel arbeiten. Das ist natürlich nicht ernst gemeint, aber wir warten jetzt schon so lange. Ich bitte also darum.

Ein anderer Kollege ist offensichtlich -vorsichtig ausgedrückt:- schwer genervt von der Staatsanwaltschaft, die immer und immer wieder erst die Vollmacht anfordern, obwohl ein Verteidiger eine solche nicht vorzulegen braucht. Er schreibt als Reaktion auf die Anforderung:

Ich bin es inzwischen echt leid, der Staatsanwaltschaft jedes Mal, wenn ich eine Akte anfordere und dann aufgefordert werde, eine Vollmacht vorzulegen, kostenlose Rechtsfortbildung zu erteilen, indem ich gebetsmühlenartig erkläre, weshalb die Akte mir auch so zu übersenden ist. Andere können es doch auch. Zum letzten Mal daher: (es folgt die kostenlose Rechtsfortbildung)…

Man sollte auch aufpassen, was man unterschreibt, bevor man es zur Staatsanwaltschaft schickt. Das hat ein Kollege nicht getan, der das angebliche Opfer vertreten hat und dessen Schreiben bei mir und dem Mandanten für viel Erheiterung gesorgt hat. Eventuell ja auch bei der Staatsanwaltschaft. Er schickte nämlich nicht nur eine Stellungnahme, sondern auch folgenden Aktenvermerk für seine eigene Akte mit:

Nochmal für Euch (mit „Euch“ waren die Sekretärinnen gemeint): Die Staatsanwältin rafft einfach nicht, dass es hier zwei Mandantinnen mit dem Nachnamen N gibt. Wenn diese dusselige Staatsanwältin beim nächsten Mal anruft, erklärt Ihr nochmal ausdrücklich, dass es hier um die L.N. und nicht um die O.N. geht.

In letzterer Sache hatte ich kurz überlegt, eine Stellungnahme zu diesem Aktenvermerk abzugeben, mich dann aber doch dafür entschieden, den Kollegen nicht bloß zu stellen 😉